Euphelia bewundert ihre Freundin, die zehnköpfige Raupe. Diese zieht echt durch. Von Raum zu Raum, von Zimmer zu Zimmer, von Bereich zu Bereich putzt sie sich durch, ist keine Ecke sicher vor ihr.
Das klappert und tönt um Euphelia herum, doch das Lachen und Quatschen gibt dieser Raupe den Charme und erfüllt das gesamte Haus mit Harmonie. Heute steht das Gewölbe ganz im Mittelpunkt. Dies ist das Reich von Liane. Seit fast 18 Jahren prägt sie das Treiben mit ihrer ganz eigenen kreativen Art. Euphelia freut sich schon auf die Zeit nach Öffnung, denn dann schwebt mit Liane täglich diese bezaubernde Duftwolke eines magischen Parfums hinein. Liane ist da. Fehlt diese Zauberwolke, fragt Conny schon mal nach, ob alles in Ordnung ist. Endlich ist nun aber Liane wieder in ihrem Element. Flaschen drehen.
Obwohl im Moment nur, um an all den Staub im Weinkeller zu kommen. Gleichzeitig sind die Gedanken konzentriert darauf gerichtet, welcher Wein wohl zu welcher Stimmung, zu welchem Gast, zu welchem Wetter, zu welchem Essen passen wird. Conny bewundert immer wieder, mit welcher Inbrunst sich Liane ihren Getränken verschrieben hat. Entweder es ist sofort eine Antwort parat oder wird wenig später nachgeliefert. Conny liest zu gerne Romane über Essen und Trinken und zu gerne entstehen Ideen für das eigene Hotel daraus. Ein Gespräch mit Liane führt oft dazu, daß wenige Stunden später bestimmte Sorten für den Einkauf vorgestellt werden, ein Konzept einer Veranstaltung geboren wurde und sogar über passende Dekorationen fabuliert wird. Selbst die Gäste, zu denen das passen könnte, haben schon einen Platz im Hinterkopf. Für diesen Sommer hat Liane ganz besondere, alt bekannte Cocktails ausgesucht. Euphelia ahnt, diese müssen ausreichend verkostet werden, damit sie sich ihrer Auswahl sicher sind. Auf Connys Frage, welches Getränk sie wohl voller Lust als Trend anbieten wird, antwortet Liane: Ich weiß, was du gelesen hast. Es wird wohl der Gin sein. Ich hab da schon so eine Idee. Liane kann eben immer wieder überraschen, sei es mit Wissen über die Wünsche der Gäste, welche sie, genau wie die Namen über Jahre scheinbar im Kopf eingespeichert hat, oder aber mit Gedanken, Worten und Themen, mit denen Conny vorher nicht gerechnet hat. Sie nascht am liebsten Lindtkugeln, das ist inzwischen gut bekannt, doch ihr großer Wunsch, Klavier spielen zu können, war für Conny eine Überraschung. Zum Glück sind sie ja alle noch voll jung. Ist der Wunsch reif, wird sie es einfach anpacken. Liane fing damals soooo schüchtern und ruhig und unscheinbar hier als Mitarbeiterin an. Nach dieser brisanten Entwicklung bis heute traut Conny ihr alles zu. Für Liane ist das sichere Fundament die Familie, ihre eigene und diese zweite hier, welches ihr Ruhe und Sicherheit gibt, ihren Traum einer kompetenten und liebenswürdigen Gastgeberin zu leben. Und vielleicht erfüllt sie sich oder wir uns alle gemeinsam ihren Traum einer richtigen großen Kreuzfahrt. Vielleicht so in zehn Jahren, sagt Liane. Doch wer weiß, manchmal hört ja da eine Fee mit. Manchmal ist das so. Doch heute hat auch Liane ihren Lieblingsplatz gefunden und genießt ihre Pause im Park.
1 Comment