Euphelia hatte gestern genau hingehört. Wohl schon zum dritten Mal wurde Torsten nach dem Wetter für morgen gefragt. Nicht, daß Conny die Antwort immer wieder vergißt, nein, sie hört dabei einfach schon gar nicht mehr hin. Ganz persönlich interessiert es sie überhaupt nicht, jedoch könnte es wichtig für bestimmte Vorhaben der Gäste sein, für den Mecki, für ein Lagerfeuer, für Hinweise bei den Fragen nach Ausflugszielen. So kommt es, daß Torsten ihr oft vielmals am Tag geduldig die gleiche Frage beantwortet: „Wie wird das Wetter morgen?“ Euphelia hörte was von starkem Wind. Das scheinbar hatte Conny sich gemerkt. Gleich nach Sonnenaufgang, den sie im Nachthemd am offenen Fenster in ihrer Amalia fasziniert beobachtet hatte, ging sie bei Windstille nach Eulenhausen. „Nimm dir einen Pott Kaffee mit! Ich mach dir.“ rief Pia ihr zu. Conny hatte sich diesen Spaziergang vor dem Checkout, vor dem Frühstück, schon so oft vorgenommen. Doch genau heute war es ihr besonders wichtig, Zeit ganz für sich und ihre Erinnerungen zu haben.
Sie fühlte sich mit ihrem heißen Kaffee in der einen Hand, einem Apfel aus der sanierten Ruine in der anderen, den Jahren der allerersten Schritte in Groß Breesen und den heutigen Empfindungen gleichermaßen nahe, den Kranichen, den Obstbäumen, dem Himmel, dem Tau, der Windstille, ganz vertraut, ganz leicht. Atmen, gaaanz tief atmen, lächeln, bewußt die Umgebung wahrnehmen. Manchmal braucht es gar nicht mehr, um innerlich so richtig warm und glücklich zu sein. Keine Gedanken an gestern, an morgen. In die Runde schauen und mit den Wolken die Gedanken an sich vorbei ziehen lassen.
Sogar einen langsamen Rundgang durch den Gutspark gönnte sie sich anschließend noch, saß (mit dem zweiten heißen Kaffee) auf der Bank am großen Ausguck.
Langsam, ganz langsam bewegten sich die ersten Blätter in den hohen alten Bäumen.
Und dann, später, als wenn jemand den Schalter umgelegt hätte, nahm er Fahrt auf. Warm zwar, jedoch mit immer stärkerem Brausen kam der Wind aus Südwest. Conny setzte sich in den Park und tat nichts. Nichts. Einfach nur sitzen, schauen, hören, wundern, atmen, lächeln, sich verzaubert fühlen. Das Glück genießen, diese Insel Literaturien hüten zu dürfen.
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