Euphelia weiß noch nicht so recht, mit welchen Worten sie Conny ein wenig Sicherheit geben kann. Manchmal spürt sie richtig, wie gern Conny von anderen hören würde, was zu tun und zu lassen ist. Verantwortung kann eben auch richtig schwer auf den Schultern lasten. Zu früh öffnen ist gefährlich, zu spät öffnen ist teuer. Überhaupt öffnen hat so viele Bedingungen. Wie macht Conny alles richtig? Wie werden Mitarbeiter und Gäste gleichsam glücklich? Miteinander glücklich – das ist die wichtigste Voraussetzung, anders hat dieses Hotel gar keinen Sinn. Wer gibt ihr den richtigen Plan, zeigt ihr den Weg? Die Zeit seit November ist wirklich sooo lang. So viele Ideen und Hoffnungen mußten immer wieder geändert werden.
Plötzlich erinnert sich Euphelia an ein Gedicht.
Herr K. und die Flut
Herr K. ging durch ein Tal,
als er plötzlich bemerkte,
daß seine Füße in Wasser gingen.
Da erkannte er, daß sein Tal
in Wirklichkeit ein Meeresarm war
und daß die Zeit der Flut herannahte.
Er blieb sofort stehen,
um sich nach einem Kahn umzusehen,
und solange er auf einen Kahn hoffte,
blieb er stehen.
Als aber kein Kahn in Sicht kam,
gab er diese Hoffnung auf
und hoffte, daß das Wasser
nicht mehr steigen möchte.
Erst als ihm das Wasser
bis ans Kinn ging,
gab er auch diese Hoffnung auf
und schwamm.
Er hatte erkannt,
daß er selber ein Kahn war.
Bertolt Brecht
Comments